Die Enquetekommission Bürokratieabbau des Bayerischen Landtags legt Handlungsempfehlungen zum Bereich Wirtschaft und Landwirtschaft vor – Johannes Becher: „Unser Credo: Vertrauen für jene, die es gut machen, und harte Strafen für die, die tatsächlich Regeln brechen.“
München (08.07.25) „In Bayern und Deutschland haben wir offensichtlich über die letzten Jahrzehnte das Grundvertrauen darin verloren, dass Menschen Dinge von Natur aus richtig und korrekt machen wollen und werden. Um ein politisches Ziel zu erreichen, wird deshalb häufig auf Mikromanagement gesetzt. Es werden detailliert alle Schritte eines Prozesses beschrieben, um sie dann auch minutiös kontrollieren zu können. Unsere Unternehmen in Wirtschaft und Landwirtschaft – und nicht nur dort – spüren diesen Kontrolldruck deutlich. Sie verbringen mittlerweile viel zu viel Zeit damit, bürokratische Regeln zu erfüllen, statt ihr eigentliches Können und ihre Innovationskraft auf die Straße zu bringen“, sagt Johannes Becher, Erster stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Landtags-Grünen und Mitglied der Enquetekommission Bürokratieabbau. „Der Staat muss wieder mehr Vertrauen in alle Akteure haben, das Wesentliche klar und nachvollziehbar regeln und die politischen Ziele stärker durch Anreizsysteme voranbringen“, so Johannes Becher zu den am 3. Juli 2025 beschlossenen und heute veröffentlichten Handlungsempfehlungen derEnquetekommission Bürokratieabbau des Bayerischen Landtags zum Bereich Wirtschaft und Landwirtschaft.
Die Handlungsempfehlungen basieren auf intensiven Diskussionen mit externen Expert*innen sowie Berichten der Staatsregierung und wurden mehrheitlich oder einstimmig angenommen. Johannes Becher: „Unsere Unternehmen sind in der Regel vollständig digitalisiert, weil sie sich am Markt behaupten müssen. Da könnte sich der Staat eine Scheibe abschneiden und Daten nur noch digital erheben und nicht mehrfach gleiche oder ähnliche Daten abfragen. Für eine Erprobung abgesenkter bürokratischer Standards in der Praxis brauchen wir dringend Modellkommunen bzw. Modelllandkreise. Dort gelten natürlich weiterhin alle Gesetze, aber es soll möglich sein, die Anwendung flexibler zu gestalten, beispielsweise mal auf Formulare zu verzichten, Berichtspflichten zu erleichtern, Arbeitsgenehmigungen unbürokratischer zu erteilen etc.. Kurz gesagt: Mut haben, die gesetzlichen Ziele mal auf anderen Wegen zu erreichen. Das würde enorm helfen, Bürokratie ganz praxisnah zu identifizieren und zu reduzieren.“
Mit den verabschiedeten Empfehlungen will die Enquetekommission aufzeigen, wie auch im Bereich von Wirtschaft, Selbständigen und Landwirtschaft den Handelnden wieder mehr Zeit für ihre eigentliche Tätigkeit bleibt, ohne dabei politische Ziele über Bord zu werfen.
Folgende Punkte aus den Empfehlungen sind den Landtags-Grünen besonders wichtig:
- Etablierung von Modellkommunen zur Erprobung unbürokratischerer Standards – hierbei auch erstmals KI-gestützte Verwaltungsverfahren in englischer Sprache
- Fördermittel nur noch digital zu beantragen und zu bewilligen – Stichprobenkontrollen mit harten Strafen statt detaillierter Nachweispflichten für alle
- One-Stop-Shops für die Arbeitsmarktzulassung ausländischer Fach- und Hilfskräfte
- KMU-Praxischecks nach niederländischem Vorbild, die neue Vorgaben im Vorfeld auf ihre Praxistauglichkeit prüfen
- Reduzierung von Berichts- und Dokumentationspflichten – Einführung von Bagatellgrenzen für Kleinbetriebe
- Ausnahmen von Berichts- und Dokumentationspflichten für extensiv bzw. ökologisch wirtschaftende landwirtschaftliche Betriebe
- Dauergrünland ist zu erhalten und zu fördern. Beim temporären Grünland sind Regelungen so praxisgerecht auszugestalten, dass die Fünfjahresstichtagsregelung unbürokratisch verlängert werden kann und somit auch ohne Umbruch der Ackerstatus erhalten bleibt
Johannes Becher: „Bei unseren Beratungen in der Kommission hat sich immer wieder gezeigt: in unserer Wirtschaft und Landwirtschaft arbeiten in der Regel gut ausgebildete Fachkräfte in den Betrieben, die ihr Geschäft beziehungsweise ihr Handwerk verstehen. Geredet wird aber nach Skandalen über die wenigen, die das System missbrauchen, und oft werden daraufhin die Regeln für alle verschärft. Digitalisierung und KI können vieles in der Landwirtschaft deutlich erleichtern – wenn wir es schlau und nicht zu detailversessen umsetzen. Wenn Behörden einmal eingepflegte Informationen intern weiter nutzen würden, wäre schon viel gewonnen. Bei Kontrollen sollte zukünftig die Beratung an erster Stelle stehen und nur wer unbelehrbar weiterhin grobe Mängel nicht beseitigt auch hart bestraft werden. Ich bin überzeugt: weit über 90 Prozent unserer Wirtschaftsakteure erledigen ihre Aufgaben korrekt und sehr gewissenhaft – dieses Grundvertrauen muss auch wieder unsere Regelungs- und Kontrollpraxis leiten.“
Die Grünen-Fraktion hat allerdings auch mehrere Handlungsempfehlungen abgelehnt, da sie zu apodiktisch formuliert sind oder gegen Grundprinzipien der Grünen laufen. „Dass überhaupt keine neuen Gesetze mehr verabschiedet werden sollen, die irgendetwas an Bürokratie verursachen, klingt zwar verlockend, aber auch unrealistisch – selbst die Söder-Regierung hat sich beispielsweise mit dem 2. Modernisierungsgesetz nicht darangehalten und den Kommunen massive Mehrarbeit beschert. Abgelehnt haben wir auch jene Punkte, die den Bürokratieabbau durch den Abbau von Zielen im Umwelt- oder Sozialbereich sehen. Unser Ziel ist, Prozesse zu optimieren und dabei nicht wichtige Schutzziele auszuhöhlen oder die Steuerungsmöglichkeiten per se aus der Hand zu geben“, so Johannes Becher abschließend.
Hintergrund:
Die Enquete-Kommission zum Thema „Bürokratieabbau“ des Bayerischen Landtags wurde auf einen interfraktionellen Antrag der Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CSU, FREIE WÄHLER, und SPD eingesetzt. Seit Juli 2024 trafen sich die Mitglieder des Gremiums mit dem Namen „Potenziale in Gesellschaft, Wirtschaft und Verwaltung entfesseln – Das Leben leichter machen, Bürokratie abbauen, den Staat neu denken“. Das Ziel: Handlungsempfehlungen, um Bürokratie abzubauen und das Leben für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen zu vereinfachen.
Die Kommission besteht aus neun Abgeordneten aller Fraktionen, darunter der Grünen-Abgeordnete Johannes Becher, und sieben externen Experten. Informationen zu bereits verabschiedeten Handlungsempfehlungen finden Sie hier:
https://www.gruene-fraktion-bayern.de/themen/kommunales-europa-oeffentlicher-dienst/bayerns-bausektor-weniger-buerokratie-loest-bremse/
Die heute veröffentlichte Handlungsempfehlung finden Sie hier:
https://www.bayern.landtag.de/fileadmin/Internet_Dokumente/Sonstiges_P/PII/Gremien/Enquete/Veröffentlichung-HE-TK-9.pdf